Tipps & Tricks - Simplify Your Jive


Wer hat nicht zumindest schon davon gehört? Zahlreiche Ratgeber eines bekannten deutschen Cartoonzeichners und Pfarrers (ja, das ist in der Tat eine ungewühnliche Kombination) weisen jedem Interessierten den Weg in ein einfacheres, glücklicheres Leben. Die Grundidee dabei ist nicht neu aber dennoch schwer zu realisieren:

„Innere Zufriedenheit durch Abwerfen von unnötigem Ballast“

Doch was für das alltägliche Leben gilt, ist auch auf den Tanzsport anwendbar (nicht nur auf den Jive, der passte nur – in Anlehnung an die oben erwähnten Ratgeber – einfach gut zum Titel):

Weniger ist oft mehr

Nicht jede Figurenkombination, die man mit Mühe und Not halbwegs im Takt dahinstolpern kann, sieht alleine aufgrund ihres Schwierigkeitsgrades gut aus. Oft stellt sich dadurch eher eine unfreiwillige Komik ein, die der Betroffene selbst meist nicht einmal wahr nimmt.

Schließlich steckt nicht in jedem von uns ein Franco Formica oder William Pino. Oft trainiert es sich einerseits viel stressfreier – und sieht noch dazu weit besser aus – wenn man den Schwierigkeitsgrad bewusst etwas hinter das persönlich gerade noch Tanzbare zurückdreht und die Figuren dafür mehr austanzen kann.

Da ich selbst schon seit Beginn meiner eigenen (inzwischen immerhin 17 Jahre andauernden) Turniertanzkarriere immer großes Interesse am Entwicklen von Choreographien hatte, habe ich es am eigenen Leib durch leidvolle Erfahrung erleben müssen, dass man sich durch möglichst interessante und ungewöhnliche Programme meistens keinen Gefallen tut.

Spätestens durch die Tätigkeit als Wertungsrichter stellt man schnell fest, dass die richtige Antwort auf die Aussage „Das tanzt sonst keiner!“, die manch ein Tänzer mit stolz geschwellter Brust vorträgt, in den meisten Fällen nur heißen kann: „Und diejenigen, die das nicht tanzen, wissen auch warum!“

Stattdessen sollte man sich eher die Frage stellen: Kann ich diese Figurenkombination (natürlich erst nachdem sie eine Zeit lang trainiert hat) stressfrei tanzen und damit wirklich tänzerisch präsentieren? Oder schaffe ich es immer irgendwie gerade so im Takt und ohne umzufallen, fühle mich aber dabei aber stets ein wenig von der Musik gejagt?

Das Erschreckende an diesem Phänomen ist, dass selbst erfahrene S-Klassen Tänzer gerne den Fehler begehen, sich Figurenkombinationen zu unterwerfen, die ihnen zwar gut gefallen, aber nicht wirklich zu ihnen passen oder sie gar schlichtweg überfordern.

Dabei ist es gerade auf höherem Level an der Zeit, einen eigenen Stil zu entwickeln (nein, damit meine ich die Art der Ausführung nicht möglichst extravagante Schrittkombinationen) und nicht irgendwelchen Trends hinterher zu laufen.

Insbesondere dann, wenn 1,90m große (vom Typ her eher elegante) Turniertänzer versuchen, den extrem sportlichen Tanzstil von kleingewachsenen italienischen Tänzern wie William Pino oder Paolo Bosco zu imitieren, ist das von vornherein zum Scheitern verurteilt. Und gerade groß gewachsene Paare – wie auch beispielsweise unsere deutschen Meister Sascha und Natascha Karabey – können sich mit ihrem eigenen elegant klassischen Stil auch gegen dynamischere Paare wie Bosco/Pitton behaupten, indem sie ihre eigenen individuellen Stärken betonen, anstatt den Stärken der Konkurrenz nachzulaufen.

Oft reicht es auch aus, im Training mal die Videokamera zu Hilfe zu nehmen um zu sehen, wie eine bestimmte Figurenkombination nach außen wirkt. Denn es gibt auch Unmengen Kombinationen die extrem schwer sind und einen vergleichsweise geringen Effekt haben, während andere Kombinationen leicht zu tanzen sind und dabei mit geringem Trainingsaufwand gut aussehen können.

Sicher muss man dazu auch das eine oder andere Risko wagen und mal Dinge ausprobieren. Doch wenn eine Figurenkombination selbst nach Wochen intensiven Trainings immer noch einen Stressfaktor darstellt, sollte man sich dies auch selbst eingestehen und das Ding wieder aus der eigenen Choreographie rauswerfen.

Ganz schlimm wird die beschriebene Problematik dadurch, dass es einige (zum Glück immer weniger) Trainer gibt, die sich dadurch profilieren wollen, dass sie ihren Paaren möglichst ausgefallene Kombinationen aufdrücken und diese damit meist völlig überfordern. Da hilft dann meistens nur die Meinung eines zweiten Trainers, denn die wenigsten Paare wagen es, die Meinung des Trainers selbst in Frage zu stellen.

Wie bereits erwähnt, habe ich selbst lange genug versucht, zu schwere Figurenkombinationen in den eigenen Choreographien unterzubringen. Und auch jetzt bastle ich noch gerne selbst an den eigenen Choreographien herum, aber inzwischen nicht mehr mit der Idee, dass Programm möglichst ausgefallen und interessant zu gestalten, sondern dieses stattdessen so zu optimieren, dass es sich von Anfang bis Ende flüssig und stressfrei tanzen lässt, damit man sich beim Turnier voll darauf konzentrieren kann, miteinander und mit der Musik zu tanzen. Eine gute Choreographie sollte also genauso gut passen wie der richtige Tanzschuh, denn so macht das Tanzen – sowohl dem Paar selbst als auch den außen stehenden Zuschauern und Wertungsrichtern – einfach mehr Spaß. Und jeder Turniertänzer hat sicher schon die Erfahrung gemacht, dass auf einem Turnier (durch zu viele Paare auf zu kleinen Tanzflächen, schlechte Turniermusik etc.) noch genügend zusätzliche Stressfaktoren hinzukommen können.

Posen

Zum Abschluss noch ein paar Gedanken zu Posen: Posen sind meiner Meinung nach vor allem interessant für Zuschauer und Photographen. Für die Wertungsrichter sollte die tänzerische Bewegung zwischen den Posen wesentlich mehr Bedeutung haben. Gerade weil ich selbst sowohl als Photograph als auch als Wertungsrichter regelmäßig auf Turnieren unterwegs bin, sind mir beide Blickwinkel sehr vertraut. So fällt es mir zunehmend auf, dass immer mehr der internationalen Top-Paare gerade in Tänzen wie beispielsweise dem Slowfox immer weniger Posen tanzen und damit natürlich verhältnismäßig schwer zu photographieren sind.

Vom Blickwinkel eines Wertungsrichters ist dieses dagegen sehr angenehm, versuche ich in dieser Rolle doch – wie bereits gesagt – vor allem die tänzerische Bewegung zu bewerten. Auch die wichtigsten Wertungskriterien Takt und Rhythmus lassen sich hierbei sehr viel leichter (und objektiver) bewerten als bei statischen Posen, die sich teilweiser über mehrere Takte hinziehen (zumal dem Wertungsrichter meist die Zeit fehlt, eine längere Posenkombination abzuwarten und er sich stattdessen vielleicht schon einem anderen Paar zuwendet).

Natürlich stellt das in diesem Artikel Gesagte vor allem meine persönlichen Meinung dar, die sicherlich nicht die einzig richtige Sichtweise ist. Sollten Sie als Leser dieses Textes mir aber zustimmen oder auch eine völlig andere Meinung vertreten, würde ich mich über ein Feedback per Mail (rpanther@web.de) freuen. In jedem Fall hoffe ich, mit diesem Text den einen oder anderen Leser ein wenig zum Nachdenken angeregt zu haben.

Robert Panther

Zum Seitenanfang springen !